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texte zu bruno streichs installationen

von andres pardey

kunsthistoriker, vize-direktor museum tinguely, basel

bruno streich zeigt im filter 4 „satellites“, werke aus der serie, in der sich der künstler mit der form künstlicher erdtrabanten auseinandersetzt – und damit mit fragen nach der „guten form“ und funktionalität im allgemeinen.

bruno streich ist dipl. ing. eth (luft- & raumfahrt).

bruno streich setzt mit seinem werk fragezeichen zu sehgewohnheiten und alltagsästhetik.

bruno streich rückt unsichtbares und übersehenes ins blickfeld und schafft so neue akzente.

dies gilt für seine gemälde, die reduktionen  und magazin remains  wie auch für seine skulpturenserie der satellites . als raumfahrtingenieur weiss streich genau, wie ein satellit auszusehen hat, was ihn ausmacht, was diese abstrakte form für den laien zum satelliten macht. er kennt den gencode des satelliten, quasi.

um den code einer visuellen erscheinung geht es auch in der malerei, in der vertraute bilder einer radikalen reduktion unterworfen werden mit dem ziel, das bild nur noch als essenz der wahrnehmung zu definieren und damit auf alles .berflüssige zu verzichten. die arbeit des raumfahrtingenieurs am gemälde.

die form eines satelliten ist definiert durch den verwendungszweck des geräts, wie dies im jeweiligen pflichtenheft beschrieben ist. bruno streich entreisst den strukturen gerade dieses pflichtenheft und lässt die formen stehen im zwischenraum zwischen form und funktion und gibt ihnen somit raum für gedankliche inhalte. die technoide hülle verändert sich, raum für assoziationen entsteht, rätselhaftes und poetisches fliesst mit ein. die form der skulpturen kann raketenähnlich sein, breit ausladend mit beinen, kompakt-kugelig mit einer trapezförmig aufgelösten oberfläche oder grad als funkantenne in schüsselform gebaut sein. manchmal sind satelliten komplex geformt, haben zerklüftete oberflächen, denen das fast elegant reduzierte, das ihre artgenossen so oft auszeichnet, fehlt. aber das ist wirklich selten. viel häufiger sind symmetrien, ausgewogene und aufs wesentliche beschränkte kompositionen, die einem brancusi viel näher sind als einem hirschhorn – in jeder beziehung.

bruno streich schafft den spagat und überwindet mühelos die kluft zwischen guter form und geschliffener eleganz und diesem fast brutal funktionalen, indem er seine satelliten roh, mit krude verklebten holzplatten herstellt, das material so weit entfernt von dem, was der gängigen vorstellung entspricht, und doch in der form so nah, dass kein zweifel über die wirkliche funktion der streich‘schen satelliten aufkommen kann:

skulpturen zu sein, die unser denken über das, was form und funktion definiert und bewegt, anzuregen und vielleicht in neue, ein wenig grenzenlosere bahnen zu lenken vermögen.

dass dieser prozess dabei über objekte läuft, denen der normale erdenbürger nie (und wenn, dann als ausstellungsdummy in einem technikmuseum) begegnet, ist bedenkenswert. unsere welt besteht so weit aus medial vermittelten bildern, dass wir die unterscheidung zwischen real erlebtem oder gesehenem und solchem, dass wir nur aus presse, film und fernsehen kennen, gar nicht mehr wahrnehmen, geschweige denn, dass wir diesen unterschieden irgend eine bedeutung beimessen könnten. vielleicht ist das eine der wichtigen leistungen der satellites  von bruno streich: dass sie die abwesenheit des realen persönlichen erlebnisses bewusst machen, und es nachholen, irgendwie.

 

olga stefan, kuratorin, zürich

bruno streich: two satellites at a b contemporary, zürich

bruno streich’s practice, which lies at the intersection of art, science, engineering and architecture, plays with the “form versus function” binary to engage with the viewer in an examination of space and our place in it.

 
his large-scale sculptures, evoking familiar forms from aerospace engineering, the artist’s former profession, impose themselves spatially but are made of very rudimentary materials, in stark contrast to the sophisticated ones used in actual aerospace designs.  and yet streich insists on an academic rigor in his fabrication – despite the crafty diy aesthetic, which places his works firmly in the field of art, his sculptures are made to standard light-weight engineering specifications. through this mode of production, the sculptures once again allude to the form versus function duality. 
 
in two satellites, streich moves beyond mere formal allusions to aerospace technology by integrating interactive sound elements into his two sculptures that occupy the space of the gallery.  the visitor is invited to engage with the works by banging on or touching the sculptures, thus activating sounds at different calibers that originate from actual space recordings.

 

von patricia meyer, a | b | c ontemporary gallery, zürich

bruno streich – cracking the code (installation, skulptur, malerei)

der kunsthistoriker und vize-direktor des museums tinguely basel, andres pardey, beschreibt bruno streich anlässlich seiner satellites ausstellung im filter 4 in basel sehr passend als einen diplomierten luft- und raumfahrtingenieur, welcher mit seinem künstlerischen werk fragezeichen zu sehgewohnheiten und alltagsästhetik setzt und so unsichtbares und übersehenes ins blickfeld rückt. ähnliches verspricht streichs titel für die zürcher ausstelllung in der a | b | c ontemporary galerie: cracking the code. mit seinen drei wichtigsten werkgruppen, magazine remains , satellites und reductions , entführt der künstler die besucher in eine welt, in der sie nach belieben verborgenes und unbewusstes erkunden und erfahren können, um am ende gar persönliche wahrheiten und hintergründe zutage zu fördern, ohne dass diese jedoch zur allgemeinen gültigkeit erhoben werden.

die magazine remains , „überreste von magazinen", eine serie von kleinformatigen bildern, bei welchen die

ölfarbe direkt auf den werbeseiten der hochglanzmagazine angebracht wird, spielen mit den sehgewohnheiten der betrachter und deren alltagsästhetik. sie verbergen etwas bekanntes, während sie gleichzeitig als überbleibsel desselbigen fungieren und ursprüngliches durchscheinen lassen. streich fügt sie zu einer installation zusammen, in welcher sie in ihrer schieren menge eine neue bildsprache entwickeln. die hängung, welche auf jegliche bewegungen reagiert, wirkt filigran und betont die durchlässigkeit der beiden schichten inserat und ölfarbe. diesem setzt er seine grossformatigen malereien, die reductions, „reduktionen", gegenüber, welche in punkto materialität und format einen wunderbaren kontrast zu den magazine remains bilden. bei den bildern handelt es sich um derart radikale reduktionen, dass einzig ein kleiner extrakt ihrer erscheinung, die „essenz der wahrnehmung" (andres pardey, 2012) verbleibt, was den betrachter erneut zur auseinandersetzung auffordert, um endlich streichs werk zu decodieren. die satellites bilden die letzte werkgruppe: grosse formen, welche auf satelliten zurückgeführt werden können, stehen im raum und versperren die wege der betrachter. befremdliche objekte aus einer anderen welt, in ihrer form eindeutig auszumachen, scheinen sie in ihrer materialität und funktion verfremdet und laden wiederholt zum nachdenken über das alte spannungsverhältnis von form und funktion ein.

die eigens für den galerieraum neukonzipierte skulptur, bunker 1 , nimmt einen beachtlichen teil des hinteren raumes ein. obschon die materialien dieselben sind wie diejenigen der satellites , ist offensichtlich, dass es sich hierbei unmöglich um dasselbe handeln kann. die skulptur wirkt geheimnisvoll, der charakter des verstecks ist offensichtlich und lässt erneut den gedanken an unsichtbares und übersehenes aufkommen, was wiederum streichs code bedeuten kann.

der 1964 in zürich geborene bruno streich ist luft- und raumfahrtingenieur eth, er arbeitete als oberassistent an der ethzürich sowie als dozent an verschiedenen hochschulen. er ist gründer und betreiber einer design- und internetagentur und seit einigen jahren künstler. im selbststudium hat er sich eingehend mit unterschiedlichen bereichen der kunstwelt auseinander gesetzt, um im jahr 2008 mit der eigenen künstlerischen tätigkeit zu beginnen. bis anhin wurden seine werke an der kunst 11 in zürich, im filter 4 und an der scope in basel und anlässlich verschiedener atelierausstellungen gezeigt.

von armin berger

satellites - strukturen in der zwischenwelt

holz, harz, tränen! quarz, kristall. strukturen in der zwischenwelt. zwischen technik und natur, radikaler klarheit und emotionaler verletzlichkeit. postnatale körper, denen man die arbeit an sich selbst, den kampf um die überlebensfähigkeit, die suche nach der besten geometrie spürbar ansieht. aus den nähten der sich zusammenschliessenden flächen und ebenen quillt harz. tränen? haben wir sie gefunden? die stabile struktur? tragfähigkeit und basis? oder müssen wir von neuem beginnen?

ein improvisierter augenblick. nur ein kurzer augenblick des schweigens, des innehaltens und ausruhens, bevor das drehen, krächzen, kratzen und schleifen erneut beginnt? die körperliche verformung bis zum idealen zustand einer einfachheit, nach einem singulären augenblick der relevanz. einem geburtsmoment.

leichtigkeit und raumbewusstsein, übergänge zwischen dynamischen ebenen, ruhe und spannung – beinahe wie ein kurzes anhalten des atems. bruno streich gelingt mit seinen “satellites” das festhalten des augenblicks. sie machen neugierig. sie erlauben zu warten, warten auf den nächsten zug, die nächste bewegung.

silent objects. selten.

von eva schumacher, sandra kälin, patricia meyer

Ein Raum – ein Objekt.

Essenz der Ausstellung SCULPTURE PROJECT S14 ist eine absurd anmutende Raumsituation – viel zu gross ist s14 für den kleinräumigen ehemaligen Kiosk. Was hat die riesige Skulptur im engen Laden zu suchen? Wie ist sie ins Innere gelangt? Wie sieht sie aus der Distanz aus?

Viele Besucher lässt die Skulptur im Innenraum nicht zu, denn die schiere Masse des Objekts würde sie im an die Wand drücken – s14 ist bei dieser Ausstellung bestimmend und nimmt für sich den Platz in Anspruch.

Bruno Streichs raumfüllende Installationen stellen die Sehgewohnheiten der Menschen auf die Probe. Unsichtbares und Übersehenes wird ins Blickfeld gerückt, dem Betrachter quasi vorgesetzt, während es gleichsam fordert, von diesem erfragt und erkundet zu werden.

s14 spielt mit Raum, Volumen und Proportion und hinterfragt gleichzeitig die Kommunikation der beteiligten Komponenten. Gedanken um das Verhältnis oder gar das Verschmelzen von Installation und Raum drängen sich auf, wobei eine eindeutige Auslegung einzig der Wahrnehmung des Betrachtenden obliegt und sich somit der Subjektivität verpflichtet.

Ob nun massgeschneidert auf den Raum oder vielmehr Störfaktor desselbigen verbleibt s14 als Mahnmal für die Situation der Verdichtung und Verdrängung in der heutigen urbanen Umgebung. In dem Masse wie der Besucher von Bruno Streichs Installation an die Wand gedrängt wird, fühlt er sich sonst durch seine gegenwärtige, von Verdichtung und Schnelllebigkeit geprägte Existenz in Bedrängnis gebracht. s14 strahlt durchaus etwas Bedrohliches aus, er ist ein Volumenfresser, der sich ausbreitet und alles andere an den Rand drängt. Aber worum handelt es sich bei dem Objekt, das diesen willkürlichen Innenraum auf seltsame Weise durchdringt und Fragen nach dem Innen und Aussen, nach seiner Funktion und seinem Zweck aufwirft? Was ist es eigentlich, womit Bruno Streich den Zuschauer konfrontiert? Welche Funktion bekleidet es?

Der Buchstabe „s" in s14 verweist auf Streichs Werkgruppe der Satelliten.

Bruno Streich dokumentiert die Formen von für den Betrachter meist unsichtbaren künstlichen Erdtrabanten in ihrer reinen oder auch frei erfundenen Form. Die typischen Umrisse des Objekts werden nur noch vermeintlich durch seine Funktion bestimmt. Auf die plastische Gestalt reduziert ist s14 nur noch Fragment und Hülle eines hochkomplexen Systems, das in seiner Gesamtheit nicht mehr sichtbar ist.

Erst durch die Erzählungen über das Gesehene und Gedachte wird die Skulptur in ihrer Gesamtheit wieder fassbar. Durch die Platzierung im schlichten ungeschönten Raum kommt die Harmonie der Reduktion zu Geltung. Die Hand möchte über das geleimte, metallisch wirkende Holz gleiten, den Kanten und Wölbungen entlang fahren. s14 öffnet Raum für emotionale Nuancen und Assoziationen, Irritationen über Innen und Aussen, Möglichem und Unfassbarem. Sein enormes Volumen sprengt die Grenzen nicht, sie passt just in den Kosmos Kiosk, verweist aber die Betrachterinnen und Betrachter in den öffentlichen Raum und gibt sich ihnen nie ganz preis.

Als Ganzes gesehen, repräsentieren Bruno Streichs Arbeiten des SCULPTURE PROJECT eine Fülle möglicher Reduktionen von aus der Luft – und Raumfahrt inspirierten technischen Objekten. Die Skulpturen sind aus mit PU-Schaum verklebten oder zusammengesteckten Holzplatten gefertigt. s14 wurde eigens für den Kiosk Tabak geschaffen.